Zehn Morde an Kleinbauern seit Jahresbeginn. Konflikt besteht seit Jahrzehnten. Bauernverbände fordern glaubwürdige Untersuchungen und Einhaltung der Verträge mit der Regierung
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Zehnter Mord in Serie: Am 26.7. wurde Otoniel Hernández Castro bei der Feldarbeit dem Vernehmen nach von einem Killerkommando erschossen Quelle:Plataforma Agraria |
Tegucigalpa/Tocoa. Am 26. Juli ist in Honduras ein weiteres Mitglied der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft "Gregorio Chávez" erschossen worden. Der 22-jährige Héctor Otoniel Hernández Castro wurde zusammen mit zwei weiteren jungen Männern, die unverletzt blieben, von bewaffneten Männern angegriffen, während sie auf dem Feld in der Gemeinde Cuyamel im Bezirk Trujillo arbeiteten. Dies teilte die Agrarplattform des Aguán-Tals mit, der die Genossenschaft angehört.
Otoniel Hernández war der Bruder von Wendy Hernández, Mitglied der landwirtschaftlichen Genossenschaft El Chile und stellvertretende Koordinatorin der Agrarplattform. Wendy Hernández engagiert sich, so die Agrarplattform, insbesondere "gegen kriminelle Gruppen im Dienste der Agrarindustrie in der Region Bajo Aguán, darunter die bewaffnete Gruppe, die im 'Lote Ocho' innerhalb der Farm Pasó Aguán operiert und der den Behörden bestens bekannt ist".
In der Mitteilung wandte sich die Agrarplattform in klaren Worten an Präsidentin Xiomara Castro: "Frau Präsidentin Xiomara Castro, wir fordern Ihre Regierung auf, dringend Maßnahmen zu ergreifen, um unser Leben zu schützen, denn hier in der Region Bajo Aguán werden wir wie Tiere gejagt, obwohl wir nur Landwirte sind, die für unser Recht auf Zugang zu Land und den Schutz der natürlichen Ressourcen kämpfen. Wir fordern Sie außerdem auf, Ihr Mandat als Regierungschefin von Honduras zu erfüllen."
Bereits am 17. Juli waren Ramón Rivas Baquedano u
nd sein Sohn Carlos Rivas Canales, beide Mitglieder der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften "La Aurora" und "Gregorio Chávez", auf dem Weg zur Arbeit von bewaffneten Männern überfallen und ermordet worden.
Die Opfer waren Verwandte von Santos Hipólito Rivas und seinem Sohn Javier Rivas, Landrechtsaktivisten, die bereits 2023 ermordet wurden und deren Fall straflos blieb. Nach Angaben der Agrarplattform und des Büros des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte in Honduras (OACNUDH) wurden im vergangenen Monat fünf organisierte Landwirte ermordet, zehn seit Jahresbeginn und mehr als 200 seit dem zivil-militärischen Staatsstreich 2009.
"Diese Handlungen sind das Ergebnis der Straflosigkeit und des Vorgehens krimineller Gruppen. Sie dienen dazu, den kontinuierlichen Raub von Agrarreformland immer weiter fortzusetzen", erklären die Agrarplattform und die Koordinierungsstelle der sozialen Organisationen des Bajo Aguán (COPA) in einer Mitteilung.
Beide Organisationen machen direkt die kriminelle Vereinigung "Los Cachos" dafür verantwortlich. Sie habe in den vergangenen Monaten gewaltsam Bauernfamilien aus verschiedenen Genossenschaften vertrieben, die Vereinbarungen mit der aktuellen Regierung unterzeichnet hatten (amerika21 berichtete).
Am 22. Februar 2022 hatte die Regierung von Präsidentin Castro Vereinbarungen mit Organisationen und landwirtschaftlichen Genossenschaften unterzeichnet, um die Agrarproblematik zu lösen und Frieden in die Region Aguán zu bringen. Diese Vereinbarungen umfassten die Einrichtung einer ursprünglich als unabhängige Wahrheitskommission konzipierten, später unter Regierungskontrolle gestellten Dreier-Kommission zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen in der Region.
Die Agrarplattform und COPA warnen davor, dass die illegale Gruppe der Cachos direkte Verbindungen zur Unternehmensgruppe DINANT haben soll. Corporación DINANT ist ein in Honduras führendes Unternehmen für den Anbau und die Verarbeitung von Palmöl, das von Mitgliedern der zu trauriger Bekanntheit 1 gelangten Familie Facussé kontrolliert wird.
Die Organisationen fordern eine umfassende, unverzügliche und glaubwürdige Untersuchung der Morde, die erneut Trauer über das Aguán-Tal gebracht haben. Weiter verlangen sie sofortige Maßnahmen zum Schutz derjenigen, die dort weiterhin für den Zugang zu Land und gegen die Ausweitung agrarindustrieller Monokulturen und des Bergbaus kämpfen.
Drei Tage vor dem Doppelmord an Ramón und Carlos Rivas hat das Komitee zur Verteidigung der Gemeingüter aus der Kreisstadt Tocoa des zehn Monate zuvor ermordeten Juan López gedacht. López war eine Führungspersönlichkeit im Kampf gegen extraktivistische Politik und Projekte, insbesondere gegen das Bergbau-Megaprojekt, das den Nationalpark Montaña de Botaderos "Carlos Escaleras" bedroht.
Das Megaprojekt wird von Inversiones Los Pinares und Inversiones Ecotek durchgeführt. Die beiden Unternehmen gehören zur EMCO-Holding von Lenir Pérez Solís und Ana Facussé Madrid, Tochter des verstorbenen Miguel Facussé Barjum, ehemaliger Vorsitzender von DINANT. Gegen Manager von Inversiones Los Pinares wurde im Mai ein Verfahren eröffnet (amerika21 berichtete).
Derzeit befinden sich drei Personen in Haft, die beschuldigt werden, López ermordet zu haben. Allerdings sind keine Fortschritte bei der Ermittlung und Festnahme der Drahtzieher bekannt (amerika21 berichtete).
Neben der Verurteilung der Ermordung von Ramón und Carlos Rivas forderte das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte in Honduras den honduranischen Staat auf, seine Verpflichtungen aus der Vereinbarung mit den Genossenschaften und landwirtschaftlichen Vereinigungen einzuhalten. "Mehr als drei Jahre nach Unterzeichnung der Vereinbarung fordert die Gewalt weiterhin Opfer, da es an einem strukturellen Ansatz zur Lösung des Konflikts mangelt", warnte die internationale Instanz.
Das Hochkommissariat betont insbesondere die dringende Notwendigkeit, die Wahrheitskommission für den Bajo Aguán einzurichten, um das Recht der Opfer auf Wahrheit, Gerechtigkeit, Wiedergutmachung und Garantien der Nichtwiederholung zu gewährleisten.
- 1.Der 2025 verstorbene Firmengründer Miguel Facussé Barjum war einer der erfolgreichsten und mächtigsten Unternehmer in der Geschichte des mittelamerikanischen Landes. Kritiker:innen warfen ihm unter anderem sein aggressives Vorgehen gegen Kleinbäuer:innen für die Ausdehnung seiner Palmölplantagen und mutmaßliche, von Corporcacion Dinant stets bestrittene, Verbindungen zu einem Drogenkartell vor. 1997 beschuldigten Zeug:innen und einer der Täter Facussé in den Mord an dem Umweltaktivisten Carlos Escaleras verwickelt gewesen zu sein.